Das derzeitige Investitionsverhalten der globalen Finanzmärkte befördert eine weltweite Erwärmung von rund 4 bis 6 Grad. Daher fanden die Aktionstage des Collective Climate Justice in Basel und Zürich 2019 unter dem Motto „Fossil Banks too big to stay“ statt.
Am frühen Morgen des 8. Juli besetzten Klimaaktivist*innen die Banken UBS (United Bank of Switzerland) in Basel und CS (Credit Suisse) in Zürich. In Folge dessen wurden bis zum frühen Nachmittag desselben Tages in Zürich 64 und in Basel 37 Klimaaktivist*innen in Gewahrsam genommen. In Basel wurden 19 Personen (fünf mit schweizer, neun mit deutschem, zwei mit finnischem und eine Person mit US-amerikanischem Pass) vorläufig festgenommen und verbrachten bis zu 48 Stunden in Haft. Viele weitere Aktivist*innen mussten ihre Personalien angeben und wurden fotografiert.
Ein Mensch in Zürich verweigerte jegliche Kooperation, wie die Angabe der Personalien, und wurde erst am 31. Juli, nach 23 Tagen Hungerstreik, aus der Untersuchungshaft entlassen.
Die Räumungen der Blockaden und die Inhaftierungen der Aktivist*innen verliefen unter Einschränkungen der Pressefreiheit und waren mit großer Polizeigewalt und Menschenrechtsverletzungen verbunden. Gegen nicht-schweizer Aktivist*innen wurden mit der Begründung sie gefährdeten die internationalen Beziehungen der Schweiz ein- bis mehrjährige Einreiseverbote verhängt. Die Belegung der Aktivist*innen mit unverhältnismäßigen Strafbefehlen und Einreiseverboten, die erkennungsdienstliche Behandlung (= ED-Behandlung: Aufnahme von Fotos, Finderabdrücken und sonstigen Körpermerkmalen) sowie die Entnahme und Verwertung von DNA der Inhaftierten muss aufs schärfste kritisiert werden. Auffällig ist auch das verschärfte Vorgehen gegen nicht-schweizer Aktivist*innen und die krassen Haftbedingungen (siehe Erfahrungsbericht weiter unten).
Gegen die bereits ausgehändigten Strafbefehle wird vorgegangen. Von einer Weiterführung des Einspruchs gegen die einjährigen Einreiseverbote wird nun abgesehen, da das Verfahren kostspielig und langwierig ist und dennoch keine aufschiebende Wirkung auf das Einreiseverbot hat.
Da die DNA-Entnahme nach Festnahmen bei Demonstrationen in der Schweiz schon länger in der Kritik steht und bereits wiederholt als unzulässig eingestuft wurde, lohnt es sich exemplarisch weiter dagegen vorzugehen. Alle in der Schweiz wohnhaften Menschen haben bereits Vorladungen erhalten. Auch zwei minderjährige Personen aus Freiburg hat die Kriminalpolizei bereits versucht vorzuladen, während viele weitere noch auf einen Brief warten.
*Erfahrungsbericht einer in Basel Inhaftierten*
Alle Gefangenen wurden in das Untersuchungsgefängnis Waaghof/Kanton Basel-Stadt gebracht. Wir verbrachten dort mehrere Stunden mit hinter dem Rücken gefesselten Händen im Polizeiwagen, der Tiefgarage und anschließend in den Sammelzellen: Trinken und Toilettengang ohne Assistenz war uns somit nicht möglich. Dank Gittertüren konnten wir uns über die Zellen hinweg verständigen. Es wurde gemeinsam gesungen, skandiert und ordentlich Krach gemacht.
Der Forderung nach Wasser wurde nach etwa 3 Stunden ab Festnahme, einer Forderung nach einem Anruf (beim z.B. Antirep-Ausschuss) nie nachgegeben. Kabelbinder und Handschellen wurden uns erst für eine vollständige körperliche Durchsuchung abgenommen. Dabei behielten die Beamt*innen unteranderem Socken und Schuhe sowie wärmende Kleidungsstücke ein. Gegen Abend wurden 8 minderjährige und eine 18-jährige Person freigelassen.
Wir verbleibenden 19 mussten uns zum zweiten Mal an diesem Tag vor den Beamt*innen vollständig entkleiden. Erst gegen Mitternacht wurden wir in unterschiedliche Polizeistationen mit Ein- bis Zwei-Personen-Zellen gebracht. Dort verbrachten wir die Nacht größtenteils unter Videoüberwachung, bei voller Beleuchtung und teilweise ohne Matratzen oder Decken. Erst nach 10 Stunden in Gefangenschaft erhielten wir die erste Nahrung. Diese war trotz Forderungen nicht vegan (Fleischpastete aus der Dose) und auch auf Allergien wie die Glutenintoleranz eines Mitinhaftierten wurde nicht eingegangen. Am nächsten Morgen (Dienstag, 09. Juli) versuchten die Beamt*innen uns von einer freiwilligen erkennungsdienstlichen Behandlung und Abgabe von DNA zu überzeugen. Kollektiv lehnten wir, trotz mehrminütiger Anquatschversuche in Grüppchen oder einzeln, dankend ab. Die Lage in den Zellen war den Tag über den Umständen entsprechend entspannt: es wurde gesungen, Radio gehört und sich untereinander über die Lüftungsschächte ausgetauscht.
Mein „Lieblingsmoment“: Als die Beamt*innen verzweifelt nach einer Insassin suchten, die über eine halbe Stunde verschollen schien. Alle Gefangenen wurden einzeln von Kriminalpolizist*innen befragt. Aussageverweigerung rules!
Erst als am Nachmittag die Verfügung für die Durchführung der ED-Behandlung unter Zwang vorlag, wurde diese bei allen unter großem Personalaufgebot (Betreuungsschlüssel 5:1) durchgeführt. Eine schriftliche Ausführung der Verfügung wurde uns erst bei unserer Freilassung vorgelegt. Am späten Dienstagnachmittag wurden dann einige Menschen entlassen. Für 12 Personen, einschließlich mir, wurde der Aufenthalt verlängert. Es erfolgte Dursuchung mit vollständigem Entkleiden binnen 30 Std. Nr. 3! und die anschließende Unterbringung in Untersuchungshaftzellen. Auf dem Einweisungszettel war zu lesen „bei uns wird grundsätzlich nicht telefoniert“.
Am nächsten Morgen (Mittwoch, 10.07.), zwischen 10 und 14 Uhr, wurden auch die übrigen Menschen entlassen.
Links: Mehr Infos und Spenden auf https://www.climatejustice.ch/