Petar B., Student der Universität Passau sowie Mitglied der Jungen Alternative und der extrem rechten Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf, versuchte im Mai / Juni diesen Jahres Informationen über die linke Szene in der bayrischen Universitätsstadt Passau zu erlangen, indem er an öffentlichen linken Treffen und Kulturveranstaltungen teilnahm.
Dazu schrieb „Völkische Verbindungen Kappen – Gegen Faschismus jeder Coleur“: „Am 08.06 verfasste die rechtsextreme Burschenschaft Markomannia eine Pressemitteilung welche sie drei Tage später auch auf ihrer Facebook-Seite publizierte. Darin behauptete sie, dass ein für mehrere Wochen in die linke Szene Passaus eingeschleuster Spitzel am 06.06 enttarnt und von Antifaschisten „im Rahmen einer Veranstaltung“ der Hochschulgruppe LUKS Passau konfrontiert und angegangen worden sei.
Innerhalb kürzester Zeit erschienen darauf Bezug nehmende Beiträge in diversen rechten Strukturen und Medien. Darunter ein Interview mit dem rechtsextremen Spitzel in der, der Identitären Bewegung nahestehenden Plattform „EinProzent“ sowie eine Pressemitteilung der vom Verfassungsschutz beobachteten AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative Bayern“. Der rechten „Tagestimme“ war der Vorfall gleich ganze drei Artikel wert. Unter dem Facebook-Post der Markomannia kommentierte der Journalist der rechten „Tagesstimme“, Julian Schernthaner: „Wir vom patriotischen Onlinemedium Die Tagesstimme haben uns des Themas angenommen und darüber nun berichtet“.“
Dieser Vorfall zeigt leider einmal wieder, dass Spitzel ein reales Thema und Problem für unsere Kreise sind. Und dass Gefahr dabei nicht nur von Polizei und Verfassungsschutz ausgeht. Die Antifaschistische Gruppe NullAcht51 aus Passau beschrieb Petar B.s Bespitzelungsversuche genauer:
„[Er] hat an den Treffen einer offenen linken Hochschulgruppe teilgenommen und behauptet in dem Artikel auf den Treffen der antifaschistischen Gruppe gewesen zu sein. Letztes entspricht[…], schlichtweg nicht der Wahrheit und offenbart mehr Wunsch als realen Unterwanderungserfolg: Petar B. nahm an mehren Terminen bei dem von uns ausgerichteten Offenen Antifaschistischen Treffen (OAT) teil. Dieses dient dazu, antifaschistisch Interessierten die Möglichkeit zum Austausch in lockerer Stammtischatmosphäre zu geben. An internen Treffen der Gruppe NullAcht51 hat Petar B. ausdrücklich nicht teilgenommen. […] Bei den Pro Choice Protesten gegen religiöse FundamentalistInnen und AbtreibungsgegnerInnen im Mai 2019 war Petar B. zwar ebenfalls anwesend. Auch hierbei handelt es sich um einen öffentlich beworbenen Termin mit überregionaler Mobilisierung an dem mehrere hundert Demonstrierende eines Bündnisses unterschiedlichster Organisationen und Gruppierungen teilnahmen. Da – wie bei solchen Protesten üblich – ohnehin mit der Anwesenheit ziviler Polizeibeamt*innen und Ermittler*innen gerechnet werden muss, dürfte Petar B. hier kaum mehr Eindrücke zu linker Protestkultur gewonnen haben, als die Hundertschaft eingesetzter Beamt*innen.“
Auch wenn insofern die Erfolge des rechten Möchtegern Spitzel ziemlich unspektakulär sind, bietet der Vorfall doch jede Menge Potenzial für Reflektion, Diskussion und leider natürlich auch Paranoia. Dabei ist der Fall Petar B. bereits das zweite (bekannte) Mal diesen Jahres, bei dem unerwünschte Denunziant*innen in unseren Strukturen ihr Unwesen getrieben haben.
So wurde Marcel Göbel, dessen Zusammenarbeit mit dem LKA schon 2015 bekannt wurde, dieses Jahr vom Hambi Camp geschmissen, nachdem er dort wieder erkannt wurde und versuchte Anfang des Jahres wohl auch in Berlin sich wieder in die Szene zu schleichen. Wir halten eine kollektive Auseinandersetzung mit dem Thema für wichtig, um unsere Strukturen gegen ihre Angriffe zu stärken und zu schützen. Dazu wollen wir als Lektüre auf den Reader „Schöner leben ohne Spitzel“ hinweisen. Dieser bietet viele hilfreichen Informationen und Tipps rund um das Thema, wobei darin das Thema rechte Spitzel leider keine Erwähnung findet. Ein weiterer Grund diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Daher auch dieser Artikel, damit dieser Vorfall nicht einfach in der Nachrichtenflut untergeht. Statt falschen Verdächtigungen, Selbstzensur und hermetisch abgeriegelter Szene wünschen wir uns ein Bewusstsein für Sicherheitskultur, Mut und Selbstbewusstsein, gute Recherche und eine Auseinandersetzung mit bisherigen Spitzelfällen, um aus diesen zu lernen.
Legen wir Spitzel und Denunziant*innen das Handwerk!